Zerbrechlich by Picoult Jodi

Zerbrechlich by Picoult Jodi

Autor:Picoult, Jodi [Picoult, Jodi]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783838702032
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2010-09-21T22:00:00+00:00


Amelia

An einem Wochenende, auf dem Rückweg von Boston, meinte meine Mutter plötzlich, sie müsste die neue Martha Stewart werden. Zu diesem Zweck fuhren wir einen riesigen Umweg über Norwich, Vermont, um bei King Arthur Flour eine ganze Wagenladung von industriellen Backutensilien und speziellen Mehlsorten zu kaufen. Du warst die ganze Zeit über stinkig, weil du den Vormittag im Kinderkrankenhaus verbracht hattest, wo dir neue Stützen angepasst werden mussten. Die Dinger waren heiß und steif, und sie hinterließen blaue Flecken, wo das Plastik sich in die Haut drückte. Zwar versuchten die Orthopädietechniker immer, das zu korrigieren, doch irgendwie schien es nie zu klappen. Du wolltest einfach nur nach Hause und sie ausziehen, doch meine Mutter kam mit einer Bestechung, die wir beide nicht ablehnen konnten – einem Besuch im Restaurant.

Für viele mochte das ja nichts Tolles sein, für uns aber schon. Wir aßen nicht oft auswärts. Meine Mom hat immer gesagt, dass sie ohnehin besser kochen könne als die meisten Küchenchefs, was auch stimmte, doch eigentlich sagte sie das nur, damit wir uns nicht ganz so sehr als Loser fühlten. Denn die Wahrheit sah anders aus: Wir konnten uns Restaurantbesuche überhaupt nicht leisten. Aus demselben Grund sagte ich meinen Eltern auch nicht, wenn meine Jeans Hochwasser hatten, und ich kaufte mir auch keine Pommes frites in der Schulcafeteria, obwohl sie wahrhaft köstlich aussahen. Aus demselben Grund war die Höllenfahrt nach Disney World auch so eine große Enttäuschung gewesen. Ich fand es viel zu peinlich, dass wir so abgebrannt waren, und wollte sie nicht Nein sagen hören, also fragte ich erst gar nicht, wenn ich auf etwas Lust bekam.

Teils war ich wütend auf meine Mutter, weil sie von unserem Backgeld lauter Pfannen, Töpfe und Schüsseln kaufte und nicht mal ein schicker Markenpulli für mich dabei heraussprang. Um den hätten mich die Mädchen in der Schule nämlich beneidet und mich nicht mehr angeguckt, als wäre ich etwas, das unter ihren Schuhsohlen kleben geblieben ist. Aber nein, mexikanisches Vanilleextrakt und getrocknete Kirschen aus Michigan waren ja lebenswichtig. Ganz »dringend« brauchten wir ein Muffinblech aus Silikon, eine Teekuchenform und randlose Keksbleche. Du wiederum bist dir nicht im Mindesten bewusst gewesen, dass jeder Cent, den wir für Mehl, Zucker und dergleichen ausgaben, ein Cent weniger für uns war. Aber was hatte ich von dir schon zu erwarten: Du hast vermutlich auch noch an den Weihnachtsmann geglaubt.

Deshalb muss ich zugeben, dass es mich ein wenig überrascht hat, als du mich das Restaurant hast aussuchen lassen. »Amelia darf sonst nie aussuchen«, hast du gesagt, und obwohl ich mich dafür hasste, wäre ich fast in Tränen ausgebrochen.

Um das wiedergutzumachen und weil mich ohnehin jeder für den Arsch hielt und ich niemanden enttäuschen wollte, sagte ich: »McDonald’s.«

»Iiih!«, hast du gesagt. »Die machen vierhundert Hamburger Royal aus einer Kuh!«

»Darüber kannst du dich aufregen, wenn du Vegetarierin geworden bist, Heuchlerin«, erwiderte ich.

»Amelia, hör auf damit. Wir werden nicht zu McDonald’s fahren.«

Aber anstatt uns einen netten Italiener auszusuchen, den wir vermutlich alle genossen hätten, ließ ich Mom an einem ziemlich heruntergekommenen Diner anhalten.

Der Laden sah voll nach Kakerlaken in der Küche aus.



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